Der Bundespräsident ist zurückgetreten

Christian Wulff tritt ab

von Michael Weber
2 Minuten Lesedauer

Kommentar: der (zu) späte Rücktritt

Heute Vormittag hat Christian Wulff seinen sofortigen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten bekannt gegeben. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Hannover mitgeteilt, dass Sie die Aufhebung der Immunität von Wulff beantragt. In einer Erklärung dazu hieß es: „Nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen und der Auswertung weiterer Medienberichte sieht die Staatsanwaltschaft Hannover nunmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte (§ 152 Abs. 2 StPO) und somit einen Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung.“ Auf den Mut der Staatsanwaltschaft konnte Wulff nur mit seinem Rücktritt reagieren. Eine späte Einsicht, für viele Experten eine zu späte, denn die Würde des Amtes ist in den letzten Wochen doch arg strapaziert worden.

Es gilt selbstverständlich auch für Christian Wulff die Unschuldsvermutung. Dennoch ist der Betroffene selbst es, der seine private Affäre zum Staatsproblem gemacht hat, indem er einen Rücktritt wochenlang ausschloss. Er ist aber auch derjenige, der scheinbar über Jahre zumindest kleinere und größere Einladungen angenommen hat. Selbst da, wo er Hotelrechnungen für Einladungen von Freunden doch selbst bezahlt haben soll (jeweils in bar!), bleibt die Frage, ob er als Ministerpräsident von Niedersachsen mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl gehandelt hat.

Eben dieses Fingerspitzengefühl scheint ihm aber spätestens im Amt des Bundespräsidenten ganz offensichtlich abhandengekommen zu sein. Ein höchster Repräsentant des Staates darf sich nicht – wie Wulff es getan hat – dazu herablassen und versuchen, eine kritische Berichterstattung über einen Privatkredit durch einen Anruf beim Chefredakteur und Verleger zu verhindern. Für das Amt des Bundespräsidenten ein nahezu unfassbarer Vorgang, der die Aussagen Wulffs zur Pressefreiheit konterkariert und schon allein eines Rücktritts würdig gewesen wäre.

Christian Wulff galt lange Zeit als „Moralapostel“, als einer, der andere wegen moralischer Verfehlungen kritisiert hat. Aber wer im Glashaus sitzt, darf keine Steine werfen. Denn er scheint selbst verstrickt in einem Geflecht aus Gefälligkeiten, aus denen er sich bis heute nicht souverän befreien konnte. Daher war der Rücktritt überfällig. Nicht zuletzt, da es Zeiten gab, in denen Menschen wegen weit geringerer Vorwürfe von Spitzenämtern zurückgetreten sind. Es bleibt der fade Beigeschmack, dass Politiker insgesamt viel zu lange an ihrem Sessel kleben.

Nun ist niemand unfehlbar, aber das Amt des Bundespräsidenten eben auch kein Ausbildungsgang. Es ist ein Amt, das vom ersten Tag an mit Würde, Souveränität, Autorität und Weitsicht – mit Lebensweisheit – ausgefüllt werden muss. Das hat Wulff mehr schlecht als recht geschafft. Wobei nicht die guten Ansätze mit seinen Reden zum Islam und zu Afrika vergessen werden sollen.

Nun ist die Politik gefordert, eine Persönlichkeit zu finden, die nach den Rücktritten von Christian Wulff und Horst Köhler dem höchsten Amt in Deutschland wieder zu Glanz und Ansehen verhilft. Das wird nicht mit einem Parteisoldaten möglich sein. Kandidaten gibt es viele, auch zwei Frauen aus Niedersachsen sollen nach Gerüchten hoch im Kurs stehen. Kanzlerin Merkel hat es in der Hand, die richtigen Weichen zu stellen. Sie kündigte immerhin in einer kurzen Stellungnahme heute an, sich mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf eine überparteiliche Person verständigen zu wollen. Das ist auch bitter notwendig, soll das Amt des Bundespräsidenten nicht weiter an Würde verlieren.

Foto: Clipdealer

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