In den deutschen Bundesländern Thüringen und Sachsen haben am Sonntag zahlreiche Wähler ihre Stimme abgegeben. Dabei ist die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) an die Spitze gelangt, während sie sich deutlich gegen die Parteien aussprach, die derzeit die deutsche Koalitionsregierung stellen.
Hochrechnungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF auf Grundlage von Wahltagsbefragungen und Teilauszählungen ergaben, dass die AfD in Thüringen mit einem Stimmenanteil zwischen 32,8 und 33,4 Prozent den ersten Platz belegt.
Die Christlich Demokratische Union (CDU) dürfte mit 23,8 Prozent den zweiten Platz belegen.
Mit diesem Ergebnis belegt zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg eine rechtsextreme Partei bei einer Landtagswahl in Deutschland den ersten Platz.
Der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke feierte den prognostizierten Vorsprung seiner Partei als „historischen Sieg“.
„Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen“, sagte Höcke.
Doch bislang hat keine Partei erklärt, zu einer Koalition mit der AfD bereit zu sein, was die Regierungsbildung für sie schwierig macht.
CDU-Bundessekretär Carsten Linnemann sagte: „Die Wählerinnen und Wähler in beiden Ländern wussten, dass wir nicht mit der AfD koalieren werden und das wird auch so bleiben.“
„Das ist uns völlig klar“, fügte er hinzu.
Die beiden ostdeutschen Bundesländer waren einst Teil der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Obwohl sie mit rund sieben Prozent der deutschen Bevölkerung relativ klein sind, bleiben sie ein Zeichen für die steigende Popularität der AfD.
Doch die AfD-Zweigstellen in Sachsen und Thüringen stehen unter offizieller Beobachtung als „nachweislich rechtsextremistische“ Gruppen. Höcke selbst wurde wegen der Verwendung eines Nazi-Slogans bei politischen Veranstaltungen verurteilt, obwohl er gegen das Urteil Berufung eingelegt hat.
Die Gewinner und Verlierer in Thüringen und Sachsen
In Sachsen lag die CDU mit einem prognostizierten Stimmenanteil von 31,5 bis 31,8 Prozent hauchdünn vorn, während die AfD den Prognosen zufolge bei 30,8 bis 31,4 Prozent landen würde.
Der amtierende Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU sagte, seine Partei wolle unabhängig vom Ergebnis die Koalitionsverhandlungen führen.
Die größten Verlierer in Thüringen waren die Grünen und die FDP, die beide die Fünf-Prozent-Hürde verfehlten und das Parlament verlassen mussten. Aber auch für die Linkspartei und Ministerpräsident Bodo Ramelow war die Wahl ein herber Rückschlag: Ihr Stimmenanteil schrumpfte von 31 Prozent bei der letzten Wahl auf voraussichtlich 12,9 Prozent.
In Sachsen erlitt die Linkspartei eine schwere Niederlage und verfehlte die Fünf-Prozent-Hürde, nachdem sie bei der letzten Wahl noch zehn Prozent der Stimmen erhalten hatte. Die Grünen konnten sich mit 5,2 Prozent zwar halten, mussten aber ebenfalls Einbußen hinnehmen.
So reagierte die Bundesregierung auf die Landtagswahlen
„Ehrlich gesagt ist mein Schmerz heute Abend gering im Vergleich zu der Tatsache, dass wir einen tiefgreifenden Wendepunkt erleben und zum ersten Mal seit 1949 eine offen rechtsextreme Partei stärkste Kraft in einem Landtag geworden ist“, sagte der Co-Vorsitzende der deutschen Grünen, Omid Nouripour.
Auch die Mitte-Links-SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz musste in beiden Bundesländern Verluste hinnehmen; ihr Stimmenanteil dürfte in Thüringen bei sechs Prozent und in Sachsen bei sieben Prozent liegen.
Scholz‘ Koalition aus SPD, FDP und Grünen musste in beiden Bundesländern erhebliche Verluste hinnehmen und ist damit der Kritik der größten Oppositionspartei im Bundestag ausgesetzt.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte im ZDF, das Ergebnis sei ein „Schlag ins Gesicht“ für die drei Parteien. Die Koalition müsse sich „die Frage stellen, wie sie ihre desaströse Politik beenden kann“.
Änderungen auf der linken Seite
Die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen spiegeln die zunehmende Fragmentierung der politischen Landschaft Deutschlands und insbesondere den Aufstieg der Anti-Establishment-Parteien wider.
Die Verluste der Linkspartei sind größtenteils darauf zurückzuführen, dass ihre frühere Vorsitzende Sahra Wagenknecht Anfang des Jahres ihre eigene Partei, das Sahra Wagenknecht-Bündnis (BSW), gründete.
Ihre neue Partei verbindet eine einwanderungsfeindliche Haltung mit einer linken Wirtschaftspolitik und kritisiert zudem die deutsche Unterstützung der Ukraine im Krieg mit Russland.
In Thüringen und Sachsen dürfte der BSW hinter der AfD und der CDU jeweils den dritten Platz belegen, wäre damit aber ein möglicher Königsmacher in möglichen Koalitionen, die einen Ausschluss der AfD anstreben.
„Wir hoffen sehr, dass wir am Ende eine gute Regierung mit der CDU – wahrscheinlich auch mit der SPD – hinbekommen“, sagte Wagenknecht im ARD-Sender.