Der für Fernverkehr zuständige Vorstand der Deutschen Bahn (DB), Michael Peterson, entschuldigte sich in der Mittwochsausgabe von Deutschlands meistverkaufter Bild Zeitung wegen Verzögerungen und Absagen, die Tausenden von Fußballfans während der Eröffnungsphase der Europameisterschaft 2024 Unannehmlichkeiten bereiteten.
“Wir verstehen die Unzufriedenheit und Kritik der Fans”, sagte Peterson Bild„Die Bahn bietet derzeit nicht die Qualität, die alle verdienen. Gleichzeitig tun wir aber alles, um Fahrgäste zuverlässig an ihr Ziel zu bringen.“
Verspätete, überfüllte und manchmal sogar ausgefallene Züge führten dazu, dass Fans zu spät zu den Spielen kamen oder diese sogar ganz verpassten.
Niederlande gegen Österreich: DB verspottet
Als die Niederlande am Montag in der Hauptstadt Berlin auf Österreich trafen, kam es zu Zugproblemen, die den niederländischen Trainer Ronald Koeman öffentlich zu Wort kommen ließen.
Koeman hatte in der Vergangenheit gesagt, er würde lieber mit seinen Teams in Hochgeschwindigkeitszügen reisen als mit Privatflugzeugen. Am Montag sei dies jedoch nur in eine Richtung möglich gewesen, beklagte er.
“Wir können nach dem Spiel nicht zurück, weil es keine Züge mehr gibt, die uns nach Wolfsburg bringen”, sagte Koeman. “Deutschland behauptet, eine nachhaltige Europameisterschaft auszurichten. Aber es schafft es nicht.”
Unterdessen fing das österreichische Fernsehen Aufnahmen von frustrierten Fans in einem Zug ein, der während der Fahrt mehrmals angehalten hatte, und diese zur Melodie von „When the Saints Go Marching In“ noch etwas obszönere Worte skandierten, etwa in der Art von „Die Deutsche Bahn liegt auf dem Hintern“.
Auch viele niederländische Fans drängten sich trotz sengender Hitze schon lange vor Anpfiff in den Berliner Bahnhöfen, um mögliche Verspätungen auszugleichen.
Ex-Kapitän Lahm bezeichnet Deutschland als “versagt”
Doch die Probleme auf der Strecke waren in Deutschland und darüber hinaus schon lange vor dem Spiel am Montag aufgefallen.
Die New York Times veröffentlichte Ende letzter Woche einen Artikel mit der Überschrift: „In Deutschland läuft ein Turnier reibungslos, die Züge jedoch nicht.“
Ein anderer internationaler Fußballjournalist, Miguel Delaney, kommentierte am Eröffnungstag (angesichts der Reisebeschränkungen für schottische und deutsche Fans in München), dass er „jetzt langsam verstehe, warum die deutsche Bevölkerung DB gegenüber so kritisch eingestellt ist“. Seitdem hat er die Probleme immer wieder hervorgehoben.
Auch deutsche Diplomaten hatten den Vorfall zur Kenntnis genommen und sich bei den Fans dafür entschuldigt, während der frühere Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Philipp Lahm, heute Turnierdirektor für die EM 2024 beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), die Leistung am Montag kritisierte.
„Ich glaube, wir haben es als Land in den letzten Jahrzehnten versäumt, ein wenig an der Infrastruktur zu arbeiten“, sagte Lahm, der am vergangenen Freitag selbst zu spät zum Spiel zwischen der Ukraine und der Slowakei angereist war.
„PS, liebe Deutsche Bahn, am Sonntag müssen wir mit unserer Mannschaft pünktlich in Frankfurt sein, wir sind zuversichtlich, dass uns das gelingt“, erklärte er anschließend im Internet. Lahm kam auch bei diesem Spiel pünktlich an.
DFB und DB wollen Serviceverbesserungen auch in Zukunft sicherstellen
Laut Lahm arbeite der Fußball-Bund gemeinsam mit der DB daran, die Leistung für den Rest des Wettbewerbs zu verbessern, auch wenn das Problem „schon längst hätte behoben werden müssen“.
Im Gespräch mit BildAuch Bahn-Chef Peterson versuchte, die Fahrgäste zu beruhigen und dankte ihnen für ihre „Geduld und ihr Verständnis“, wenn es „auch mal nicht so klappt wie gewünscht“.
150.000 Bahn-Mitarbeiter würden “alles geben, damit es klappt”, sagte er und stellte fest, dass “seit Turnierbeginn über fünf Millionen Reisende mit unseren ICE- und IC-Zügen unterwegs waren”.
Unterdessen hat die türkische Mannschaft am Dienstag für die 150 Kilometer lange Reise von Hannover nach Hamburg zum Spiel gegen die Tschechische Republik einen Flug gechartert. Ob die Leistung der Züge während des Turniers bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt hat, war zunächst unklar, doch Umweltgruppen kritisierten den Schritt als “unsinnig” und “inakzeptabel”.
Die Deutsche Bahn hatte vor dem Wettbewerb erklärt, sie wolle sich nach schwierigen Monaten voller Arbeitskämpfe und Streiks von ihrer besten Seite zeigen.
Der Chef des Bahn-Lobbyverbands Pro Bahn meinte hingegen, die hohe Nachfrage im Wettbewerb habe eher „unterstrichen, wie viele Defizite es“ bei der DB gebe.
Detlef Neuss sagte dem Rheinische Post Zeitung: Wenn sich die ganze Welt über unser Schienennetz lustig macht, hoffe ich, dass dies ein Weckruf für unsere Politiker ist.