Deutschland: Parteiübergreifende Migrationsgespräche nach Anschlag in Solingen

von Otto Hofmann
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Am späten Dienstag werden die Politiker auf Bundes- und Landesebene sowie die führenden Köpfe der deutschen Opposition in nichtöffentlichen Gesprächen im Berliner Innenministerium über ein neues Sicherheitspaket diskutieren, das die Bundesregierung letzte Woche vorgeschlagen hat, sowie über andere damit zusammenhängende Themen.

Die Gespräche erfolgen im Gefolge eines tödlichen Messerangriffs am 23. August in der westlichen Stadt Solingen sowie weiterer vergleichbarer Vorfälle in den letzten Wochen und Monaten.

Zudem erfolgte dieser Erfolg zwei Tage nach dem Erfolg der migrationsfeindlichen Oppositionspartei Alternative für Deutschland (AfD) bei den Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern Thüringen und Sachsen.

Bei dem Tatverdächtigen im Solingen-Fall handelt es sich um einen syrischen Staatsbürger und mutmaßlichen islamistischen Extremisten, der den Behörden bekannt war und der vor dem Anschlag einer Abschiebung entgehen konnte. Drei Menschen wurden getötet und acht weitere verletzt. Ermittler sagen, er habe bei Verhören ein Geständnis abgelegt.

Der Fall führte in den darauffolgenden Tagen zu demonstrativen Bemühungen der deutschen Regierung, mehrere weitere Personen in ähnlicher Lage abzuschieben.

Wer nimmt teil?

Bundeskanzler Olaf Scholz nimmt nicht an dem Treffen teil, die zuständigen Minister seiner Regierung und aller ihrer Parteien sind jedoch anwesend.

Den Vorsitz der Sitzung übernimmt Innenministerin Nancy Faeser (SPD) im Beisein von Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Mit dabei sind auch zwei hochrangige Abgeordnete der Christdemokraten, der Oppositionsführer auf Bundesebene, Thorsten Frei (CDU), und Andrea Lindholz (CSU), die bayerische Schwesterpartei der CDU.

Schließlich sind auch führende Vertreter der 16 Landesregierungen Deutschlands eingeladen – die sich häufig aus anderen Parteikombinationen zusammensetzen als die Bundesregierung.

Um sinnvolle Änderungen zu verabschieden und wirksam umzusetzen, ist auf lange Sicht letztlich ein gewisser Konsens zwischen allen Beteiligten erforderlich.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht auf einem Podium bei einer Gedenkzeremonie nach dem Messerangriff vom 23. August in Solingen. 1. September 2024, Solingen, Deutschland.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte am Wochenende bei einer Gedenkveranstaltung, Deutschland dürfe seine Asylpolitik nicht ändern, müsse aber mehr gegen illegale Migration unternehmen.

Was beinhaltet das vorgeschlagene Sicherheitspaket nach Solingen?

Letzte Woche schlug Scholz‘ Regierung strengere Vorschriften für das Tragen von Messern in der Öffentlichkeit, Änderungen bei den Leistungsansprüchen für Asylbewerber und mehr Befugnisse für die Polizei vor, um gegen mutmaßliche islamistische Bedrohungen vorzugehen.

Asylbewerber, die sich vor ihrer Einreise nach Deutschland zunächst in einem anderen EU-Land registriert haben, hätten künftig keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfeleistungen.

Der Vorschlag zielt auch darauf ab, die Abschiebung von Personen zu erleichtern, die ein Verbrechen mit einer Waffe begangen haben.

Innenministerin Nancy Faeser bezeichnete die Änderungen als „weitreichend“ und „hart“.

Ein Sprecher ihres Ministeriums hatte im Vorfeld der Gespräche erklärt, das Paket werde als „wesentliche Grundlage“ für das Treffen am Dienstag dienen.

„Über das Paket hinaus haben wir deutlich gemacht, dass wir für Vorschläge von Union und Ländern offen sind und diese auch miteinander diskutieren werden“, sagte er.

Der Grünen-Politiker Omid Nouripour warnte am frühen Dienstag im ZDF davor, zu viel zu erwarten.

„Jede Idee ist willkommen“, sagte er, „nur muss sie Sinn machen, umsetzbar sein und mit den Gesetzen vereinbar sein.“

CDU-Chef Merz fordert Fokus auf „Migrationsreduzierung“

CDU-Vorsitzender Friedrich Merz, der nicht persönlich an der Sitzung teilnehmen wird, sagte am Dienstag nach den Wahlerfolgen der migrationsfeindlichen AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, dass die Gespräche sich stärker auf die Migrationszahlen im Allgemeinen konzentrieren müssten.

Das eigentliche Problem liege aus Sicht der CDU weniger in den Waffengesetzen oder den Abschiebungen, sagte Merz, sondern vielmehr „der anhaltende, unkontrollierte Migrationsdruck“.

“Wenn die Koalition mit uns über eine Lösung reden will, dann muss Migrationsbegrenzung Punkt 1 auf der Tagesordnung sein”, sagte er. Auf fünf Abgeschobene würden 100 neue kommen, argumentierte Merz. “So kann man das Problem nicht lösen.”

Er sagte, wenn die Diskussion solcher Ideen nicht zur Debatte stehe, werde es keine weiteren Gespräche geben.

“Dann bräuchten wir keine weiteren Runden Tische, dann bräuchten wir keine weiteren therapeutischen Gespräche”, sagte er.

Obwohl der Anschlag in Solingen der direkteste Anlass für dieses Treffen zu sein scheint, ist er einer von mehreren vergleichbaren Vorfällen und Beinahe-Vorfällen in den letzten Wochen und Monaten in Deutschland. Sie ereigneten sich inmitten von Warnungen vor einer erhöhten islamistischen Terrorgefahr als indirekte Folge des Konflikts im Gazastreifen und im Nahen Osten sowie Unzufriedenheit mit der deutschen Unterstützung Israels.

Es ist nicht klar, welche Ankündigungen oder Kommentare nach der nichtöffentlichen Nachmittagssitzung erfolgen werden, die um 15 Uhr Ortszeit (1300 UTC/GMT) beginnen soll. Bis Dienstagmorgen war weder eine Pressekonferenz noch eine Pressemitteilung der Bundesregierung geplant.

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