Deutsche Regierungsvertreter werden mit der konservativen Opposition und Vertretern der Bundesländer über die Reaktion des Landes auf den tödlichen Messerangriff beraten, bei dem am Freitag in der westfälischen Stadt Solingen drei Menschen getötet und acht weitere verletzt wurden.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am Mittwoch, Innenministerin Nancy Faeser werde „vertrauliche und zielgerichtete Gespräche“ mit den relevanten Parteien führen. Ziel sei es, „die irreguläre Migration nach Deutschland weiter zu reduzieren“.
Wichtige Themen auf der Tagesordnung sollen unter anderem die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer, die Bedrohung durch islamistischen Terror und das deutsche Waffenbesitzrecht sein.
Opposition fordert harte Asylmaßnahmen
Die Ankündigung erfolgt, nachdem Scholz von der Mitte-links-Fraktion (SPD) am Dienstag mit dem Vorsitzenden der konservativen Oppositionspartei CDU, Friedrich Merz, über den Anschlag in Solingen gesprochen hatte.
Berichten zufolge hatte Merz Scholz die parlamentarische Unterstützung angeboten, um ein Gesetz ohne die Koalitionspartner der SPD, die Grünen und die wirtschaftsfreundliche FDP, durchzubringen.
Merz, dessen Partei vor den wichtigen Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen an diesem Wochenende unter starkem Druck der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) steht, forderte ein „wirksames Moratorium“ für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan.
Er forderte außerdem, abgelehnte Asylbewerber aus den beiden Kriegsländern trotz Menschenrechtsbedenken zurückzuführen und kündigte an, allen Flüchtlingen, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren, solle der deutsche Aufenthaltsstatus entzogen werden.
Auf europäischer Ebene forderte Merz ständige Kontrollen an den Außengrenzen der Europäischen Union und sogar die Ausrufung eines „nationalen Notstands“ in Deutschland, um es Berlin zu ermöglichen, EU-Recht zu umgehen und Migranten in den ersten EU-Staat zurückzuschicken, in dem sie angekommen sind.
„Populisten versuchen, die Gesellschaft zu spalten“
Bundeskanzler Scholz antwortete in einem Interview mit dem ZDF am Dienstagabend: „Das individuelle Recht auf Asyl bleibt bestehen. Das steht in unserer Verfassung, und mit meiner Unterstützung wird das niemand in Frage stellen.“
Zugleich erklärte Christian Lindner, der Chef des kleinsten Koalitionspartners, der FDP, seine Partei sei offen für die Ideen von Merz.
“Wenn die CDU nach der Ära Merkel Verantwortung übernehmen will, sollten wir ihre Vorschläge offen und konstruktiv diskutieren”, sagte er. “Keine Idee sollte ausgeschlossen sein.”
An den von Bundeskanzler Scholz angekündigten parteiübergreifenden Gesprächen werden sich aber auch jene beteiligen, die den radikalkonservativen Vorschlägen skeptischer gegenüberstehen.
Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen etwa warf Merz eine “Rhetorik der Spaltung” vor und bezeichnete die Forderung nach exklusiven Gesprächen zwischen CDU und SPD als “ein wenig perfide”.
Herbert Reul (CDU), Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW), in dem Solingen liegt, kritisierte den Ton der öffentlichen Debatte nach dem Anschlag.
Seine niedersächsische Amtskollegin Daniela Behrens (SPD) pflichtete ihm bei: “Fünf Tage nach dem Anschlag werden viele Themen vermischt: Terrorismus, Asyl, Migration, Messerkriminalität und islamistischer Extremismus”, sagte sie.
“Die Menschen haben Angst, die Politiker überschlagen sich mit Forderungen und die Populisten versuchen, die Gesellschaft zu spalten.”
Erste Reaktion der Regierung „bald“ erwartet
Wann genau die ersten parteiübergreifenden Gespräche stattfinden werden, muss noch bekannt gegeben werden. Ein Regierungssprecher sagte jedoch, ein erstes Maßnahmenpaket werde bereits ausgearbeitet.
“Seit Samstag finden innerhalb der Regierung Gespräche statt, die sich nun in der Schlussphase befinden”, sagte Steffen Hebestreit und rechne “bald” mit Ergebnissen.
Bundeskanzler Scholz hatte im vergangenen Jahr eine Steigerung der Abschiebungen „im großen Stil“ versprochen und tatsächlich stieg die Zahl der Abschiebungen zwischen dem ersten Quartal 2023 und dem ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 34 Prozent.
“Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen fortsetzen, die irreguläre Migration weiter einzudämmen”, sagte Scholz. “Dazu gehören auch neue gesetzliche Maßnahmen, über die wir seit dem Wochenende intensiv diskutieren.”