In Spanien der Standard-„Kinderkönig“

Spanien und der ‘Kind König’: ‘Eine Generation Kleiner Tyrannen Entsteht’

von Gustav
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In den belebten Straßen des Madrider Viertels La Latina ist es nicht ungewöhnlich, Kinder auch spät in der Nacht noch wach zu sehen. Nehmen wir Isabel, eine Steuerbeamtin, die oft ihre Kinder im Alter von 8 und 11 Jahren zu abendlichen Ausflügen mitnimmt. An einem typischen Mittwoch nach Mitternacht hüpfen sie von Bar zu Bar mit ihr und ihren Freunden. Die Wünsche der Kinder – ob Eis, Süßigkeiten oder ein Ladegerät für ihre Spielkonsole – werden sofort erfüllt, auch wenn dies die Gespräche der Erwachsenen unterbricht.

Der Aufstieg des ‘Kind Königs’

Dieses Phänomen des ‘Kind Königs’ – Kinder, die in ihren Haushalten ohne Widerstand dominieren – wird in Spanien immer häufiger beobachtet. Diese Kinder zeigen diktatorische Tendenzen, von der Unterbrechung der Erwachsenen bis hin zu Verhandlungen, die zu ihren Gunsten ausfallen, was Psychologen beunruhigend finden. Laut den Kindertherapeuten Hannelore Schrod und Janine Renier können solche Verhaltensweisen, wenn sie nicht angegangen werden, zu schwerwiegenden psychologischen Problemen eskalieren.

Vom ‘Kind König’ zum ‘Kind Tyrann’

Der Begriff ‘Kind König’ beschreibt ein Kind, das in der Illusion der Allmacht lebt. Zu den Symptomen gehören Frustrationstoleranz, ein ständiges Gefühl der Unzufriedenheit und sogar Verhaltensstörungen. Wenn dieser Zustand pathologisch wird, verwandelt sich das Kind in einen ‘Tyrannen’, der intensivere Symptome zeigt, die sich oft in gewalttätigen Handlungen manifestieren.

Dr. Didier Pleux, ein Psychologe, beschreibt in seinem Buch Vom Kind König zum Kind Tyrann diese Transformation als allmähliche Zunahme von Familienkonflikten, bei denen das Kind die Regeln in Frage stellt und verändert und oft aggressiv seinen Willen durchsetzt.

Erziehungsfehler und unerträgliches Leiden

Doch hinter diesen kleinen Despoten steht meist eine übermäßige elterliche Liebe und ein Mangel an klaren Grenzen. „Diese Kinder leiden unter einem ‘Exzess des Selbst’, da ihnen eine bedeutende andere Figur oder Autorität fehlt“, erklärt Dr. Pleux. Er warnt, dass Kinder ohne Grenzen allmächtig und gleichzeitig hochgradig verletzlich werden, was ihre zukünftige Entwicklung schwer beeinträchtigen kann.

Die zunehmende Beliebtheit der ‘positiven’ Erziehung, die sich auf bedingungslose Unterstützung des Kindes konzentriert, führt oft dazu, dass das Kind nicht lernt, mit Ablehnung und Realität umzugehen. Dies führt laut Freudscher Theorie zu erheblichen emotionalen Belastungen, wenn Wünsche unerfüllt bleiben.

Die zugrundeliegenden Probleme

Elterliche Versäumnisse resultieren oft aus ungelösten eigenen Problemen der Eltern, wie einem Gefühl der Verlassenheit, das sie daran hindert, notwendige Grenzen zu setzen. Aline Frossard, eine klinische Psychologin, bemerkt: „Eine Mutter sagte mir während einer Sitzung, dass sie lieber tyrannisiert werde, wenn es ihren Sohn beruhigt – was zeigt, wie tief und unbewusst diese Muster sind.“

Das Fehlen von Grenzen beraubt das Kind nicht nur eines Sicherheitsgefühls, sondern kann auch zu schweren psychologischen Bedingungen führen, die von Zwangsstörungen bis hin zu Depressionen reichen, wie von Schrod, Renier und anderen Experten festgestellt wurde.

Dr. Pleux betont die Bedeutung der Anerkennung und des Schutzes von Kindern, aber auch die Notwendigkeit, ihnen die harten Wahrheiten der Realität zu vermitteln. Dies sei nicht nur hohe Theorie, sondern schlicht gesunder Menschenverstand.

Letztendlich sollte das Ziel der Erziehung zwar sein, zu fördern und zu schützen, aber auch die Kinder darauf vorzubereiten, sich in der Welt so zu behaupten, wie sie ist, und nicht nur so, wie sie sie sich wünschen. Dieses Gleichgewicht ist entscheidend für die Entwicklung gesunder, gut angepasster Individuen, die in der Gesellschaft gedeihen können.