Deutschland: Stasi-Mord in Berlin vor 50 Jahren vor Gericht

von Otto Hofmann
3 Minuten Lesedauer

Ein 80-jähriger Mann aus Leipzig steht in Berlin vor dem Vorwurf, im Jahr 1974 auf Befehl der damaligen ostdeutschen Geheimpolizei Stasi an einem Grenzübergang kaltblütig einen Polen getötet zu haben.

Der bereits verzögerte Fall wird am Freitag vor dem Kriminalgericht Moabit in Berlin wieder aufgenommen und befindet sich vermutlich in seiner Endphase.

Im Mai, als die Urteilsverkündung ursprünglich angesetzt war, kündigte das Gericht weitere Verhandlungstermine bis August an.

Es hieß, Komplikationen wie neue Informationen aus Stasi-Archiven über die Bahnhof Berlin Friedrichstraße Gründe für die Fristverlängerung waren unter anderem der Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin, wo der Mord stattgefunden hatte, sowie die mögliche Notwendigkeit, einen weiteren historischen Sachverständigen zu organisieren.

“Ein Problem des Verfahrens ist, dass wir Wissenslücken haben”, beklagte der Vorsitzende Richter Bernd Miczajka damals und appellierte an das Stasi-Archiv in Berlin, mehr Informationen über die Operationen am Grenzübergang bereitzustellen.

Was ist damals passiert?

Am 29. März 1974 wurde der 38-jährige Pole Czeslaw Kukuczka am helllichten Tag am belebten Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße zwischen der kommunistischen DDR und der demokratischen BRD aus nächster Nähe in den Rücken geschossen.

Ein Denkmal für die Menschen, die beim Versuch, die Berliner Mauer zu überqueren, ums Leben kamen, in der Bernauer Straße in Berlin. Die Gesichter von drei Menschen sind zu sehen, der Mann in der Mitte ist Czeslaw Kukuczka.
Kukuczka (Bildmitte) gehörte schon immer zu den sichtbareren Opfern der Berliner Mauer an Gedenkstätten wie dieser in der Bernauer Straße in der deutschen Hauptstadt.

Es handelte sich um einen der Aufsehen erregenden Morde der vielen Morde im Gebiet der Berliner Mauer während des Kalten Krieges.

Kukuczka hatte versucht, in den Westen zu fliehen, da er Verwandte in den USA hatte. Er hatte gedroht, in der Botschaft der kommunistischen polnischen Regierung in Ostberlin Sprengstoff zu zünden, wenn man ihm kein freies Geleit gewähre. Später stellte sich jedoch heraus, dass sich in seinem Aktenkoffer keine Bombe befand.

Er erhielt die erforderlichen Dokumente und wurde zur Grenze eskortiert, war sich jedoch nicht bewusst, dass seine angebliche Ausreiseerlaubnis ein Trick war.

Die Staatsanwaltschaft berief sich in dem Fall auf die Zeugenaussage einer Gruppe westdeutscher Schülerinnen, die ausgesagt hatten, sie hätten gesehen, wie ein Mann in Regenmantel und Sonnenbrille ihn erschossen habe. Dies sei einer der neuen Beweise, die eine Anklage ermöglichen. Die Mädchen waren Teil einer Schulklasse aus Hessen in Westdeutschland, die auf einer Klassenfahrt war.

Kukuczkas Kinder und seine Schwester sind Nebenkläger im Prozess. Polen hatte 2021 ebenfalls einen europäischen Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen, Deutschland hatte jedoch erklärt, sein Justizsystem werde sich des Falls annehmen. Die Anklageerhebung erfolgte 2023.

Warum hat es so lange gedauert, bis es zum Prozess kam?

Obwohl der Mord selbst damals auf beiden Seiten der Berliner Mauer gut dokumentiert war, fehlten Informationen über den Schützen.

Obwohl die Stasi der DDR für ihre umfangreiche Archivierung von Informationen bekannt ist, neigte sie auch sehr dazu, belastende Informationen aus ihren Aufzeichnungen wegzulassen, zumindest nicht direkt.

Jahrzehnte nach dem Mord hatten Historiker in den Stasi-Archiven nachgeforscht und dabei mehr Licht auf die Person des mutmaßlichen Schützen und die Entstehung der Mordbefehle geworfen.

Sie stellten fest, dass sowohl der Angeklagte als auch ein anderer, inzwischen verstorbener Mann Vorladungen hochrangiger DDR-Beamter erhalten hatten. Dieser soll laut Staatsanwaltschaft den Befehl zur Ermordung Kukuczkas gegeben haben, mit der Begründung, sie hätten genau am Tag des Mordes einen Grenzübertritt verhindert.

Ermittler zunächst zweifeln an Verjährung in Deutschland

In dem Fall bestehen Zweifel darüber, ob der Angeklagte 50 Jahre nach der Tat noch vor Gericht gestellt werden kann.

Nur der vorsätzliche Mord unterliegt in den USA keiner Verjährungsfrist und kann immer mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe, in der Regel nicht unter 15 Jahren, geahndet werden.

Um dies zu beweisen, muss die Staatsanwaltschaft nicht nur beweisen, dass der Angeklagte Kukuczka getötet hat, sondern auch, dass die Tötung “heimtückisch” war. Dieses Wort könnte man mit “heimtückisch”, “heimtückisch” oder “böswillig” übersetzen, oder etwa mit “kaltblütiger Mord”. Der Wortlaut dieses Gesetzes, das aus der Nazizeit stammt, ist in Deutschland selbst umstritten.

Die Staatsanwaltschaft argumentiert, dass Faktoren wie die Art der Tötung (der Mann sei angeblich getäuscht und dann in den Rücken geschossen worden) dieser Definition gerecht würden.

Wäre der Fall aus Sicht des Angeklagten letztlich ein minder schweres Tötungsdelikt, wie die Staatsanwaltschaft in Deutschland einst vermutete, wäre er nicht mehr strafbar.

msh/sms (dpa, epd)

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