Deutsche Sicherheitschefs streiten über Anschlag in Magdeburg

von Otto Hofmann
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Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages befragte am Montag Sicherheits- und Geheimdienstmitarbeiter zu möglichen Versäumnissen, die zu einem tödlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt der Stadt Magdeburg führten.

Bei dem Angriff kamen fünf Menschen ums Leben und rund 200 weitere wurden verletzt, als eine Person mit einem gemieteten BMW Sport Utility Vehicle durch eine Menschenmenge fuhr.

Die Polizei nahm den 50-jährigen saudischen Psychiater Taleb A. noch am Tatort fest.

Den deutschen Behörden werden im Vorfeld des Anschlags am 20. Dezember in der Oststadt Magdeburg fehlende Hinweise und mangelnde Sicherheit vorgeworfen.

Was hat der Innenminister gesagt?

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser und Beamte des Landes Sachsen-Anhalt – dessen Hauptstadt Magdeburg ist – sprachen am Montag vor dem Gesetzgeber.

Während der Anhörung sagte Faeser, es gebe „auffällige Anzeichen einer pathologischen Psyche“ beim mutmaßlichen Angreifer. Sie stellte jedoch fest, dass das Motiv noch nicht geklärt sei.

Der Tatverdächtige A. wurde in Saudi-Arabien geboren. Er ist von Beruf Psychiater, kam 2006 nach Deutschland und erhielt zehn Jahre später den Flüchtlingsstatus. A. hatte Tausende von Followern in den sozialen Medien, wo er oft den Islam und das Verhältnis Deutschlands zu ihm kritisierte. Außerdem kam es in dem europäischen Land immer wieder zu Konflikten mit dem Gesetz und Gerichtsverhandlungen, und Saudi-Arabien sagte, es habe deutsche Beamte wiederholt vor dem Verdächtigen gewarnt.

Da der Verdächtige über viele Jahre hinweg „Zehntausende Tweets“ gepostet habe, seien einige Materialien noch nicht vollständig untersucht worden, sagte Faeser. Sie fügte hinzu, dass „jeder Stein umgedreht wird“.

„Das erklärt, warum noch nicht alles auf dem Tisch ist… Wer wann welche Hinweise wusste und was weitergegeben wurde, muss sorgfältig geklärt werden“, sagte sie.

Gleichzeitig sagte der Minister, dass selbst ein umfassenderes Bild aller Daten den Vorfall wahrscheinlich „nicht verhindert“ hätte.

Der Anschlag in Magdeburg ähnelte in seiner Ausführung früheren dschihadistischen Angriffen in Berlin und im französischen Nizza im Jahr 2016, obwohl A. zuvor stark islamfeindliche Ansichten und Sympathien für die extreme Rechte geäußert hatte.

Geschichte der Bedrohungen

Ebenfalls am Montag veröffentlichten Beamte des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern Daten, aus denen hervorging, dass der Verdächtige vor der Tragödie in Magdeburg mindestens zwei Mal gewalttätige Drohungen gegen deutsche Beamte ausgesprochen hatte.

Im Jahr 2013 drohte er angeblich einem Mitarbeiter einer Ärztekammer wegen Verzögerungen bei seiner Facharztprüfung und deutete an, dass die Folgen denen des Terroranschlags in Boston Anfang des Jahres ähneln könnten. Dies veranlasste die örtliche Staatsanwaltschaft Berichten zufolge dazu, einen Durchsuchungsbefehl für sein Haus zu erlassen, doch die Beamten fanden keine gefährlichen oder illegalen Gegenstände oder Materialien.

Im Jahr 2015 schrieb Taleb A. an den deutschen Generalstaatsanwalt und nannte ihn ein „schmutziges Bakterium, das bald vernichtet werden sollte, um das deutsche Volk vor Ihrer Gefahr zu schützen.“

Rufen Sie nach Rechenschaftspflicht

Nach der Anhörung am Montag sagte der Abgeordnete Konstantin Kuhle von der wirtschaftsfreundlichen FDP, dass „die Bundes- und Landesbehörden diesen Täter kannten“, aber niemand habe alle Einzelheiten verstanden.

Gottfried Curio von der rechtsextremen AfD ging noch einen Schritt weiter und sagte, dass „(e)alles für jeden vorhersehbar“ sei.

„Was wir brauchen, sind Abschiebungen, stattdessen bekommen wir Einbürgerungen“, sagte er. „Was jetzt nötig ist, ist eine Änderung der Sicherheitspolitik in diesem Land.“

Im Vorfeld der Veranstaltung sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, Mitglied des Geheimdienstausschusses des Parlaments, sie erwarte eine umfassende Überprüfung der Art und Weise, wie diese Informationen verwendet worden seien.

„Wir gehen davon aus, dass der genaue Ablauf der Ereignisse vor, während und nach dem Anschlag, der Informationsfluss und die Verantwortlichkeiten möglichst präzise dargestellt werden“, sagte Mihalic gegenüber der RND-Verlagsgruppe.

„Das sind wir den Angehörigen der Opfer und den vielen Verletzten schuldig – aber auch der Öffentlichkeit, die zu Recht erwarten kann, dass sich niemand der Verantwortung entziehen wird“, erklärte Mihalic, der den Untersuchungsausschuss zu einem Lkw-Angriff auf einen Weihnachtsmarkt im Jahr 2016 leitete Berlin.

Die konservativen Christdemokraten und die wirtschaftsorientierten Freien Demokraten, die früher Teil der Koalitionsregierung waren, haben eine Verbesserung des deutschen Sicherheitsapparats gefordert, einschließlich einer besseren Koordinierung zwischen Bundes- und Landesbehörden.

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