Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz forderte den argentinischen Präsidenten Javier Milei dazu auf, eine sozialverträgliche Politik zu verfolgen, während er ein radikales Sparprogramm umsetzt, um die Wirtschaft des krisengebeutelten lateinamerikanischen Landes zu stabilisieren, sagte Scholz‘ offizieller Sprecher Steffen Hebestreit am Sonntag.
Die beiden führten im Rahmen von Mileis Europareise, wo der rechtsgerichtete Populist und Libertäre weiterhin für Kontroversen sorgt, Gespräche in Berlin.
Was hat Scholz Milei erzählt?
Während der einstündigen Gespräche zwischen den beiden Regierungschefs in Berlin betonte Scholz, dass bei der Umsetzung von Mileis Wirtschaftsreformen der gesellschaftliche Zusammenhalt gewahrt werden müsse, sagte Hebestreit.
Milei, ein selbsternannter Anarchokapitalist, trat im Dezember sein Amt an. Seitdem hat er tiefgreifende Kürzungen im öffentlichen Sektor durchgesetzt, um Argentiniens dreistellige Inflationskrise zu bekämpfen.
Zu den Maßnahmen zählen die Entlassung von Zehntausenden Beamten sowie die Kürzung der Subventionen für Treibstoff und Transport – alles Maßnahmen, die große öffentliche Proteste auslösten.
Laut Hebestreit forderten beide Staatschefs einen raschen Abschluss der Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Handelsblock Mercosur, zu dem Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay gehören.
Das Abkommen, das eine der weltweit größten Freihandelszonen mit einem Markt von mehr als 700 Millionen Menschen schaffen würde, steckt seit 2019 in einer Sackgasse.
„Sie waren sich einig, dass die Verhandlungen über das Abkommen rasch abgeschlossen werden sollten“, sagte Hebestreit.
Scholz unterstützte auch den Beitritt Argentiniens zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Die beiden Seiten einigten sich auch auf eine gemeinsame Position zur russischen Invasion in der Ukraine und bekräftigten, dass Moskau „in der Macht steht, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden“, fügte Hebestreit hinzu.
Pressekonferenz abgesagt
Argentinien verfügt über große Rohstoffreserven wie Lithium, das Deutschland für die Abkehr von fossilen Brennstoffen und zur Bekämpfung des Klimawandels dringend benötigt.
Eine gemeinsame Pressekonferenz wurde kurzfristig abgesagt, ebenso wie die Pläne, Milei mit einem militärischen Empfang zu empfangen. Die deutsche Seite erklärte, die Änderungen seien auf Mileis Wunsch erfolgt.
Mileis Besuch in Berlin wurde von mehreren Dutzend Demonstranten begrüßt. Sie standen vor dem Kanzleramt und hielten Plakate mit der Aufschrift: „Weg mit Milei.“
Zuvor hatten mehrere zivilgesellschaftliche Gruppen Scholz in Briefen aufgefordert, die Gespräche abzusagen, um dem erzkonservativen Politiker keine Plattform zu bieten.
Milei wird brüskiert und soll nach Europa reisen
Melei untergrub im vergangenen Monat die Beziehungen zu seinem langjährigen Verbündeten Spanien, nachdem er die Frau des spanischen Premierministers Pedro Sanchez, Begona Gomez, als korrupt bezeichnet hatte.
Gomez wird Korruption und Einflussnahme vorgeworfen. Ihr wird vorgeworfen, ihre Position als Ehefrau des Premierministers ausgenutzt zu haben, um Sponsoren für einen von ihr geleiteten Masterstudiengang an der Universität zu gewinnen.
Mileis Bemerkung löste bei der gesamten spanischen Regierung einen brüskierten Protest aus, der es ablehnte, ihn während seiner Reise nach Madrid in dieser Woche zu treffen.
Am Samstag reiste der Präsident anschließend nach Deutschland weiter, um in der nördlichen Hafenstadt Hamburg eine Medaille der Friedrich August von Hayek-Stiftung abzuholen.
Er nahm die Auszeichnung von der Denkfabrik – benannt nach dem österreichischen Pionier des Neoliberalismus – entgegen, während vor dem Veranstaltungsort Hunderte von Demonstranten gegen seine Einladung demonstrierten.
Nach Berlin wird Milei am späten Sonntag in der Tschechischen Republik erwartet.
Argentinien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Im vergangenen Jahr erreichte die Inflationsrate fast 290 Prozent – eine der höchsten weltweit. Rund 56 Prozent der Bevölkerung leben in Armut.
mm/dj (DPA, EPD)