Die Parlamentsausschüsse des Bundestages können ihre Vorsitzenden frei wählen und gegen Kandidaten der Alternative für Deutschland (AfD) stimmen. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch.
Das Richtergremium entschied einstimmig, dass die rechtsextreme Partei keinen automatischen oder garantierten Anspruch auf den Vorsitz in irgendeinem Ausschuss habe, auch wenn die Partei aufgrund ihrer gegenwärtigen Stärke gemäß den traditionellen Parteikonventionen in Deutschland normalerweise dazu gehöre, dass sie drei dieser Ausschüsse innehabe.
Zudem stellte es fest, dass die Mitglieder des Rechtsausschusses im Jahr 2019 im Rahmen ihrer Rechte gehandelt hätten, als sie den AfD-Vorsitzenden Stephan Brandner abwählten.
Damit wies das Gericht zwei Berufungen der AfD ab. Diese hatte argumentiert, dass ihr Einfluss dadurch, dass sie derzeit keinen Vorsitz in einem der Ausschüsse innehat, in ungerechtfertigter Weise geschwächt würde.
Was sind Parlamentsausschüsse im Bundestag?
Wie in vielen anderen vergleichbaren Demokratien gibt es im deutschen Parlament Sonderausschüsse für eine Reihe wichtiger Politikbereiche – von der Außenpolitik über die Umweltpolitik bis hin zum Tourismus und sogar der Digitalisierung.
Die Zusammensetzung der Ausschüsse wird so gewichtet, dass sie die relative Stärke der Parteien im Parlament widerspiegelt. Sie dienen als Forum für eingehende politische Diskussionen und Untersuchungen und haben manchmal Zugang zu vertraulichen Informationen, die nicht öffentlich zugänglich sind.
Eine ihrer Hauptaufgaben besteht darin, dem Rest des Parlaments vor Abstimmungen über neue Gesetzesentwürfe der Regierung Berichte über Bereiche vorzulegen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Diese Berichte basieren in der Regel auf Untersuchungen innerhalb des Ausschusses und beinhalten häufig Aussagen externer Experten.
Obwohl ihre Befugnisse eher bescheiden sind, wird ihnen manchmal ein bedeutender Einfluss auf die Politik zugeschrieben. Ein aktuelles Beispiel: Dem Verteidigungsausschuss des Bundestags und seiner damaligen Vorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann wurde 2022 und Anfang 2023 zugeschrieben, dass sie dazu beigetragen haben, die deutsche Regierung zu drängen, der Ukraine schneller mehr Waffen zu liefern.
Da die anderen Parteien Deutschlands eine Zusammenarbeit mit der AfD verweigern und sie in die Opposition verbannen, würden die Ausschussvorsitzenden zu den höheren Posten im Bundestag gehören, die die Partei derzeit besetzen könnte.
Warum hat dort derzeit kein AfD-Politiker den Vorsitz?
Traditionell entschied die relative Stärke der politischen Parteien im Parlament darüber, welche Parteien welchen Ausschuss leiten würden. Die Kandidaten wurden dann von der betreffenden Partei vorgeschlagen und im Allgemeinen von den Ausschussmitgliedern gebilligt.
Diese Tradition geriet Ende 2019 ins Wanken, als die Mitglieder des Rechtsausschusses dafür stimmten, den Vorsitzenden Stephan Brandner, ein AfD-Mitglied, abzusetzen. Die Mitglieder sagten, dies sei eine Reaktion auf eine Reihe von Kommentaren Brandners, die sie für das Amt als unwürdig erachteten, und warfen ihm vor, die Position für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen.
Das Gericht erklärte am Mittwoch, dass die Entscheidung des Ausschusses angesichts der Reihe umstrittener Kommentare Brandners beispiellos, aber weder willkürlich noch wahllos gewesen sei. Das Gericht sagte, ein Eingreifen wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn der Aktion keine tatsächliche Grundlage zugrunde läge.
Aufgrund des verbesserten Abschneidens der AfD nach der letzten Bundestagswahl 2021 hätte sie normalerweise Anspruch auf den Vorsitz in drei Ausschüssen – Innenpolitik, Gesundheit und Entwicklungspolitik.
Doch in jedem Fall stimmten die Mitglieder gegen den AfD-Kandidaten und ernannten stattdessen Übergangsvorsitzende anderer Parteien. In einem weiteren Bruch mit der Tradition, der von der AfD erneut kritisiert wurde, erfolgten die Abstimmungen anonym.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe urteilte am Mittwoch, dass die Ausschussmitglieder ihre Befugnisse nicht überschritten hätten und dass derartige Maßnahmen zu ihren in der Geschäftsordnung des Bundestages festgelegten Befugnissen gehörten.
Darin heißt es, dass zwar in vielerlei Hinsicht eine gleichberechtigte und faire Vertretung gewährleistet sei, vor allem hinsichtlich der Zahl der Abgeordneten in den verschiedenen deutschen Parlamenten, dies erstrecke sich jedoch nicht unbedingt auf die Spitzenpositionen in den parlamentarischen Ausschüssen.
AfD-Politiker Brandner bezeichnete das Urteil als „schwarzen Tag für die parlamentarische Politik“, sprach aber zugleich von einem „Pyrrhussieg“ der etablierten Parteien und meinte, auf lange Sicht „können sich Mehrheiten ändern“.
Die einwanderungsfeindliche Partei hofft, an ihr starkes Abschneiden bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen anknüpfen zu können und am Sonntag auch im ostdeutschen Bundesland Brandenburg einen Wahlerfolg zu erzielen.