Deutschland: Anklage gegen Cum-Ex-Banker aus Gesundheitsgründen fallengelassen

von Otto Hofmann
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Das Landgericht Bonn hat die Anklage gegen den ehemaligen Banker Christian Olearius wegen seiner Verwicklung in den Cum-Ex-Steuerskandal am Montag aus gesundheitlichen Gründen fallen gelassen.

Die Ärzte sagten, der 82-Jährige sei nicht gesund genug, um den Prozess, der mehrere Jahre dauern würde, zu Ende zu bringen.

Am Montag beteuerte Olearius erneut seine Unschuld. In einer zwanzigminütigen Erklärung griff er Staatsanwälte und Ermittler an und flehte den Vorsitzenden Richter an: „Setzen Sie sich für meinen Ruf, meine Ehre und meine Glaubwürdigkeit ein.“

Was wurde Christian Olearius vorgeworfen?

Die Staatsanwaltschaft wirft Olearius vor, er habe während seiner Zeit als Chef der Hamburger Privatbank MM Warburg die deutschen Steuerbehörden wissentlich getäuscht, indem er sich am wahrscheinlich größten Steuerhinterziehungsskandal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beteiligt habe.

Insgesamt dürften dem deutschen Staat Steuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe entgangen sein – vor allem zwischen 2006 und 2011. Grund dafür war, dass Banken und Investoren eine Gesetzeslücke ausnutzten, um bei Dividendenausschüttungen schnell Aktien zwischen den Parteien hin und her zu transferieren und sich so Steuern erstatten zu lassen, die sie gar nicht bezahlt hatten.

Im Jahr 2021 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass Banken und Händler kriminelle Aktivitäten begangen hätten.

Die Staatsanwaltschaft Köln wirft Olearius in 15 Fällen schwere Steuerhinterziehung vor, durch die dem deutschen Staat zwischen 2006 und 2019 ein Schaden von geschätzten 280 Millionen Euro (300 Millionen Dollar) entstanden sei. Das Landgericht Bonn ließ die Anklage in 14 Fällen weiterlaufen.

Christian Olearius (Mitte) und sein prominentes Anwaltsteam, darunter Peter Gauweiler (rechts) und Klaus Schünemann (links), nachdem sein Fall aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands abgewiesen wurde
Es ist unklar, ob Deutschland die schätzungsweise 43 Millionen Euro an unrechtmäßig erworbenen Gewinnen von Olearius zurückfordern kann

Die Staatsanwaltschaft hatte kürzlich beantragt, das im September vergangenen Jahres begonnene Verfahren gegen Olearius einzustellen und stattdessen ein sogenanntes Rückforderungsverfahren einzuleiten, in dem geprüft werden soll, ob mutmaßlich 43 Millionen Euro an persönlichen Vorteilen beschlagnahmt werden können. Das Bonner Gericht lehnte den Antrag ab. Die Staatsanwaltschaft legte gegen die Entscheidung Berufung beim Oberlandesgericht Köln ein.

Unter Olearius‘ Führung war MM Warburg von 2008 bis 2011 in die Cum-Ex-Pläne verwickelt. In dieser Zeit erhielt die Bank 169 Millionen Euro an Steuerzahlungen zurückerstattet, die sie eigentlich nicht geleistet hatte. Auch ein Warburg-Investmentfonds erhielt Erstattungen von über 100 Millionen Euro.

Sowohl der Steueranwalt, der hinter dem Plan steckte, als auch Olearius‘ rechte Hand bei der Bank wurden wegen ihrer Rolle in dem Skandal zu langen Haftstrafen verurteilt. Obwohl Olearius seine Unschuld beteuerte, warfen die Staatsanwälte dem Angeklagten vor, er sei „in das Komplott verwickelt“ gewesen, da er mit dem Steueranwalt zu tun hatte, der als treibende Kraft hinter dem Plan angesehen wurde.

Bundeskanzler Olaf Scholz und der Cum-Ex-Skandal

Im Zuge der bundesstaatlichen Ermittlungen zum Cum-Ex-Skandal geriet Olearius zudem in den Verdacht, seine politischen Verbindungen in Hamburg genutzt zu haben, um die Hamburger Regierung dazu zu bewegen, sich für die Bank einzusetzen und die Rückzahlung von Steuerrückzahlungen zu verhindern.

Die Gerüchte schlugen sofort hohe Wellen, da sie Bundeskanzler Olaf Scholz belasteten. Bevor er Bundesfinanzminister und später Bundeskanzler wurde, war der Sozialdemokrat (SPD) Bürgermeister von Hamburg.

Im Jahr 2016 entschied die Hamburger Finanzbehörde, M.M. Warburg nicht zur Rückzahlung von 47 Millionen Euro zu zwingen. Im Jahr 2017 hob das Bundesfinanzministerium diese Entscheidung jedoch auf und verlangte eine Rückzahlung von 43 Millionen Euro.

Später stellte sich heraus, dass Olearius hohe politische Spenden an hochrangige SPD-Politiker in Hamburg geleistet hatte, die direkt mit der Finanzaufsicht in Verbindung standen. Außerdem traf er sich 2016 und 2017 dreimal persönlich mit Scholz, um seinen Fall vorzutragen.

Scholz, der vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg aussagen musste, sagte zunächst, er könne sich an keine Treffen mit Olearius erinnern.

Nach der Veröffentlichung von Olearius’ Tagebucheinträgen bestätigte Scholz, dass er sich mit dem Banker getroffen habe, sagte aber, er könne sich nicht erinnern, was bei diesen Treffen besprochen worden sei oder was in einem Telefonat zwischen den beiden damals gesagt worden sei. Bundeskanzler Scholz sei sich sicher, dass er keine Versuche unternommen habe, im Interesse der Bank zu intervenieren.

Richterin Marion Slota-Haaf stellte am Montag klar, dass ihre Entscheidung, das Verfahren gegen Olearius einzustellen, nicht mit einem Freispruch gleichzusetzen sei.

Damit bleiben nur noch zwei Fragen zu beantworten: ob der deutsche Fiskus Olearius‘ persönlichen Gewinn aus den Deals beschlagnahmen kann und wer letztlich die Kosten für seine prominente Rechtsvertretung während des Verfahrens trägt.

js/dj (AFP, dpa)

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