Studie vorgstellt
16 Prozent der Bevölkerung gelten in Deutschland als arm oder von Armut bedroht. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Stadt und Land. Eine Studie der Evangelischen Kirche Deutschland hat speziell „Armut im ländlichen Raum“ untersucht. Die auf Niedersachsen bezogenen Forschungsergebnisse wurden heute vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche veröffentlicht.
Institutsdirektor Gerhard Wegner forderte auf Grundlage seiner Studie: „Von Armut bedrohte Menschen in ländlichen Regionen müssen teilhaben können an gesellschaftlichen Prozessen.“ Die Studie zeige, dass die Armen auf dem Land sehr viel Kraft und Energie aufwenden, um ihre Situation zu verbergen. Projektleiterin Marlis Winkler pflichtete bei, dass aus Schamgefühl vorhandene Hilfsangebote nicht genutzt oder Ansprüche gar nicht geltend gemacht würden. Armut auf dem Land grenze aus.
Für die Studie interviewte das Institut Sozialarbeiterinnen, Pastoren, Kirchenvorsteher sowie Frauen und Männer, denen nur sehr wenig Geld zur Verfügung steht. Die Interviewten kommen aus den niedersächsischen Landkreisen Aurich, Cuxhaven, Lüchow-Dannenberg, Nienburg und Uelzen. Die Interviewten gaben an, dass die soziale Nähe in ländlichen Gegend auch eine Art Kontrolle sei. Die Menschen trauen sich deshalb aus Scham nicht, zu einer Tafel zu gehen oder andere Hilfen für Bedürftige anzunehmen.
Die Ergebnisse geben der aktuellen Diskussion um Hartz IV neue Nahrung. Die Linken stellten fest, dass die Studie mit dem Mythos der Dorfgemeinschaft aufräume, in der es Hartz-IV-Empfänger besser hätten und die grundsätzlich zusammenhalte. Das Gegenteil sei der Fall: Arme würden ausgegrenzt. Der sozialpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Patrick Humke-Focks, erinnerte daran, dass die Landesregierung keinen Landesarmutsbericht in Auftrag gebe. Dieser wird von der Opposition und Sozialverbände sowie Kirchen seit Längerem gefordert. Das Ziel: Eine Bestandsaufnahme der tatsächlichen Situation und der Unterschiede in den niedersächsischen Regionen, um entsprechende Gegenmaßnahmen überhaupt einleiten zu können. Das Grundproblem ist nach Meinung der Sozialverbände nach wie vor, dass der Regelsatz für Empfänger von Hartz IV – insbesondere für Alleinerziehende, Alte und Kinder – nicht ausreiche.
Die Studie bestätigt, dass der zeitliche und finanzielle Aufwand, in die nächste Stadt zu kommen, sehr groß ist. Erschwerend kommt hinzu, dass arme Menschen sehr häufig nicht über die Möglichkeiten eines eigenen Fahrzeuges verfügen. In abgelegenen ländlichen Gegenden sei dies gleichbedeutend damit, weniger Chancen auf Arbeit, Bildung und Kultur zu haben. Eine schwache Infrastruktur erschwere deshalb die Möglichkeiten für arme Menschen zusätzlich. Die Ausgrenzung setzt sich fort.
Die Ergebnisse der Studie werden in Kürze als Buch veröffentlicht. Es erscheint in der Reihe „Protestantische Impulse für Gesellschaft und Kirche“ des LIT-Verlags.
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