Die Gespräche der Bundesregierung, der konservativen Christdemokraten (CDU/CSU) und der Landesregierungen zum Thema Migration in Berlin endeten am Dienstag abrupt, als die beteiligten CDU/CSU-Politiker ihre Teilnahme abbrachen.
Nach dem tödlichen Messerangriff in Solingen und den Wahlerfolgen der einwanderungsfeindlichen Alternative für Deutschland (AfD) in Sachsen und Thüringen ist das Thema in den etablierten Politikern Deutschlands seit Wochen in aller Munde.
Im östlichen Bundesland Brandenburg steht eine weitere Landtagswahl bevor, in knapp einem Jahr sind es noch die Bundestagswahlen.
Einen Tag zuvor hatte Deutschland angekündigt, die Kontrollen an allen Landgrenzen ab nächster Woche für sechs Monate auszuweiten.
Warum ist die CDU/CSU ausgestiegen?
Die Verhandlungsführer von CDU und CSU, Thorsten Frei und Andrea Lindholz, erklärten am Dienstagabend gegenüber Journalisten, die Vorschläge der Regierung in den Gesprächen seien nicht weit genug gegangen.
Frei von der CDU sagte, die Diskussionen hätten sich “überflüssig” gemacht. Die drei Koalitionsparteien hätten “keinen Vorschlag gemacht, der tatsächlich dazu führen würde, dass mehr Menschen an der Grenze zurückgeschickt werden als derzeit üblich”.
Lindholz schrieb, die Regierungskoalition sei “offensichtlich nicht bereit für die notwendigen Asylreformen”. Sie nannte den Vorschlag der Regierung “ineffektiv” und argumentierte, es handele sich um den Versuch, “ein System zu beschleunigen, das nicht funktioniert”.
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz, der bei den Gesprächen nicht anwesend war, versuchte in Kommentaren gegenüber der Bild Zeitung.
„Die (Koalition) ist offensichtlich unheilbar gespalten und kann sich nicht auf sinnvolle Maßnahmen einigen“, sagte er und warf Bundeskanzler Olaf Scholz vor, in dieser Frage keine Führungsstärke zu zeigen.
An den Gesprächen hatten nicht Scholz, sondern die Innen-, Justiz- und Außenminister der drei für dieses Thema wichtigsten Teile der Bundesregierung sowie je einer aus jeder Partei der Koalition aus SPD, Grünen und FDP teilgenommen.
Koalition hält es für unfair, von ihr zu verlangen, gegen das Gesetz zu verstoßen
Justizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, die Regierung habe einen Vorschlag erarbeitet, der mit europäischem und deutschem Recht vereinbar sei, die Opposition hingegen nicht.
„Man kann von einer Bundesregierung nicht verlangen, dass sie gegen Gesetze verstößt“, sagte er.
Die CDU fordert, mehr Menschen an den deutschen Grenzen die Einreise zu verweigern – vor allem Menschen, die bereits in einem anderen EU-Land als Asylsuchende registriert sind und nach den EU-Vorschriften dort bleiben müssen, bis über ihren Asylantrag entschieden ist.
Doch die Koalition argumentiert, dass diese Idee sowohl praktisch als auch rechtlich fehlerhaft sei. Buschmann argumentierte, sofortige Zurückweisungen an der Grenze würden nur dazu führen, dass die Menschen wahrscheinlich erneut versuchen würden, einzureisen, und vielleicht beim nächsten Mal Kontrollen vermeiden würden.
Innenminister legt Plan vor, in einigen Fällen Inhaftierungen nahe der Grenze durchzuführen
Anstatt die Menschen sofort an der Grenze zurückzudrängen, schlug Innenministerin Nancy Faeser, die wie Scholz eine Sozialdemokratin ist, einen Plan vor, Asylsuchende für kurze Zeit in Grenznähe festzuhalten, um sie schneller in das EU-Mitgliedsland zurückführen zu können, in dem sie sich registriert haben.
Der Plan könne die Einrichtung von Haftanstalten in Grenznähe beinhalten, sagte Faeser. Sie fügte hinzu, es sei notwendig, einen Plan zu entwickeln, der “keine riskanten Ausnahmen vom europäischen Recht” enthalte.
Beobachter in Deutschland stellten fest, dass die Idee stark an die sogenannten „Migrantentransferzentren“ erinnert, die die CDU/CSU in der letzten Legislaturperiode 2018 als Regierungschefin propagierte.
„Wir haben tatsächlich positive Gespräche geführt, auch wenn es nicht immer so klingt“, sagte Faeser nach dem Treffen und bezog sich damit offenbar auf die Auseinandersetzungen in Pressekommentaren.
SPD-Bundestagsabgeordneter Dirk Wiese nannte das Scheitern der Gespräche “sehr bedauerlich”, äußerte aber auch den Eindruck, dass es der Union eher darum gehe, im Vorfeld der Wahl in Brandenburg am 22. September Wahlkampfpunkte zu sammeln, als am Dienstag eine Einigung zu erzielen.
Außenministerin Baerbock: Einige Themen bleiben unerörtert
Außenministerin Annalena Baerbock, die ranghöchste Grünen-Politikerin bei den Gesprächen, sagte nach dem Scheitern der Gespräche, der frühe Ausstieg der Christdemokraten habe dazu geführt, dass „viele Themen überhaupt nicht besprochen wurden“.
Sie sagte, der Vorschlag der CDU, in dieser Frage den nationalen Notstand auszurufen und damit einige Aspekte des EU-Rechts zu umgehen, ohne es technisch zu verletzen, sei „keine Option“ und habe „bei unseren Nachbarländern Stirnrunzeln hervorgerufen“.
Sie argumentierte, dass die beste Lösung letztlich darin bestünde, an der raschen Fertigstellung und Umsetzung der geplanten Reformen der EU-Asylvorschriften zu arbeiten.
Trotz des Gezänks und des Scheiterns dieses Formats in der zweiten Gesprächswoche beteuerten alle Seiten zudem, weiterhin für eine Zusammenarbeit und Gespräche offen zu sein, auch die CDU/CSU: „Wir werden nicht schmollend in die Ecke gehen“, sagte CDU-Chef Frei.