Der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier traf sich am Mittwoch mit einigen der wenigen noch lebenden Überlebenden des Warschauer Aufstands von 1944 und sprach bei Gedenkveranstaltungen in der polnischen Hauptstadt.
Am 1. August 1944 begann der 63-tägige Versuch polnischer Widerstandskräfte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, die Nazi-Besatzer aus der Stadt zu vertreiben. Die Stadt wurde schließlich vom deutschen Militär brutal niedergeschlagen.
„Der Warschauer Aufstand ist eines der blutigsten Kapitel in der langen Geschichte, die unsere beiden Völker, die Polen und die Deutschen, miteinander teilen. Und er ist eines der heroischsten Kapitel der polnischen Geschichte“, sagte Steinmeier.
Steinmeier ist nach Roman Herzog im Jahr 1994 erst der zweite deutsche Bundespräsident, der bei der Zeremonie in Polen eine Rede halten durfte. Steinmeier wurde vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda und dem Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski eingeladen.
„Ich bitte hier und jetzt um Vergebung“
Der deutsche Präsident wandte sich an „insbesondere die Veteranen, die Helden des Warschauer Aufstands, die hier vor mir sitzen“, und sagte, es gebe keine Worte, die dem Grauen gerecht werden könnten, das in diesen zwei Monaten über der Stadt herrschte.
“Und so möchte ich nur einen Satz sagen. Aber einen, der ganz von Herzen kommt und vollkommen ernst gemeint ist. Ich bitte hier und jetzt um Vergebung”, sagte er.
„Sie, das polnische Volk, haben den Warschauer Aufstand nie vergessen und werden ihn nie vergessen. Und wir Deutschen, in deren Namen ich heute die Ehre habe, hier zu Ihnen zu sprechen, dürfen ihn nicht vergessen“, sagte Steinmeier.
Steinmeier räumte auch ein, dass die deutsch-polnische Aussöhnung für beide Seiten ein schwieriger Prozess gewesen sei, insbesondere aber für Polen angesichts der Schrecken des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust, der zu großen Teilen auf besetztem polnischem Boden stattgefunden hatte.
“Ich freue mich, dass wir, Deutsche und Polen, gute Nachbarn geworden sind. Es war ein langer Weg, und für beide Seiten kein leichter. Wenn wir bedenken, was wir alles durchgemacht haben, dann ist das eigentlich fast ein Wunder. Wir können dafür nur dankbar sein”, sagte er.
Zustimmung zum jüngsten Antrag der Regierung auf Bau von Denkmälern und Entschädigungen für den Zweiten Weltkrieg
Er verwies auch auf den in Berlin erhofften Durchbruch in der umstrittenen Frage von Reparationsleistungen bzw. Entschädigungen seitens Deutschlands, nämlich die jüngsten Bemühungen um eine Einigung mit der relativ neuen Regierung von Donald Tusk.
In Polen war jahrelang die rivalisierende nationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an der Macht. Diese tendiert dazu, einen härteren Kurs gegenüber Deutschland zu verfolgen als Tusks Koalition. Seitdem liegen die beiden Länder im Clinch: Polen fordert seit langem eine finanzielle Entschädigung und deutet dabei oft an, dass sehr hohe Summen direkt an die polnische Regierung zu zahlen seien. Die deutsche Regierung hingegen erklärte, die Angelegenheit sei bereits in früheren Verträgen rechtlich geregelt.
Bei einem jüngsten Deutschlandbesuch Tusks brachten die beiden Regierungen Pläne für ein Deutsch-Polnisches Haus in Berlin sowie ein Forum zur Erinnerung an das polnische Leid und die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs ins Spiel.
„Es laufen zahlreiche weitere Anstrengungen, auch für die letzten Überlebenden der deutschen Besatzung. Unsere beiden Regierungen stimmen sich hier eng ab“, sagte Steinmeier.
Parallelen zur Ukraine: „Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt“
Der deutsche Präsident zog zudem Parallelen zu den Kämpfen in einem anderen Nachbarland Polens, der Ukraine.
„Niemand in Europa kämpft heute so mutig und heldenhaft wie das ukrainische Volk. Es kämpft für seine Freiheit und seine Autonomie. Es kämpft gegen einen brutalen und verachtenswerten Aggressor. Wir, Polen und Deutsche, stehen solidarisch an der Seite des ukrainischen Volkes und werden dies auch weiterhin tun“, sagte Steinmeier.
Auch die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen waren in jüngster Zeit – insbesondere zu Beginn des Krieges – belastet, weil Deutschland aus polnischer Sicht zögerlich war, die Ukraine mit Waffen zu beliefern.
„Der heutige Jahrestag verpflichtet uns zugleich dazu, nie wieder Unrecht und Tyrannei, Aggression und Besatzung in Europa zu akzeptieren!“, sagte er.
Am Donnerstag, dem Jahrestag des ersten Tages des Aufstands, wird Steinmeier in Polen bleiben. Auf seinem Programm stehen unter anderem Gespräche mit Präsident Andrzej Duda.
msh/sms (AFP, dpa, KNA)