Boßeln - Nationalsport in Niedersachsen

Boßeln

von Redaktion
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Nationalsport in Niedersachsen

Boßeln bezeichnet eine regional beliebte Kugelsportart, die in Ostfriesland als Nationalsport gilt. Dabei soll die Boßelkugel über eine festgelegte Strecke mit möglichst wenigen Würfen befördert werden. Generell ist Boßeln in Norddeutschland sehr verbreitet, z. B. auch im Emsland oder im Oldenburger Land. Aber nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in Schleswig-Holstein, besonders in Nordfriesland. Darüber hinaus boßelt man in Nordrhein-Westfalen, in den Niederlanden und Irland.

In anderen europäischen Ländern gibt es Varianten mit unterschiedlichen Bezeichnungen. Boßeln ist ein Leistungs- und Breitensport, er kann aber auch als rein gesellige Aktivität durchgeführt werden und ist in Ostfriesland fester Bestandteil von touristischen Aktionen wie dem „Ostfriesenabitur“.

Die wichtigsten Fakten zum Boßeln

Boßeln kennt drei verschiedene Spielarten, die sich auf den Spielort beziehen: Straßenboßeln, Weideboßeln und Hallenboßeln.

Straßenboßeln wird auf Land- oder Nebenstraßen gespielt, die zu diesem Zweck bei bedeutenden Wettkämpfen auch gesperrt bzw. beim Freizeitboßeln mit Hinweisschildern versehen werden. Die Straßenbeschaffenheit entscheidet über die Wurfstreckenlänge und die Wurftechnik. Die Strecke muss entsprechend der Anzahl der Werfer/Mannschaft ausreichend lang sein, z. B. 4-6 Spieler gleich 4-6 km Streckenlänge.

Je gerader und übersichtlicher die Strecke, umso leichter ist ein kräftiger, wuchtiger Wurf möglich. Die Strecke kann auch als Rundkurs mit Start- und Ziellinie angelegt sein. Ebenfalls ist eine Strecke mit Wende, wie sie in Wettkämpfen vorgeschrieben ist, möglich. Sobald eine Kugel die Wendelinie übertreten hat, wird mit getauschten Kugeln in Gegenrichtung geboßelt.

Weideboßeln findet auf Sportplätzen oder Klootschießer-Anlagen statt. Als Wurfgerät kommt hier eine Holzkugel, der Pockholter, zum Einsatz. Hallenboßeln wird in der Halle und in erster Linie zu Demonstrations- und Übungszwecken durchgeführt, damit sich Anfänger mit der Wurftechnik und dem Ablauf beim Straßenboßeln vertraut machen können.

Boßeln ist in der traditionellen Spielweise ein Mannschaftssport, eignet sich aber auch zum Einzelwerfen, wie es bei den nationalen Meisterschaften der Fall ist. Seitjeher wird in Norddeutschland im Winter geboßelt, was noch aus den Anfängen herrührt. Früher war die Landbevölkerung in den Sommermonaten ausreichend beschäftigt, Zeit für das Boßelspiel blieb nur im Winter, wo oft auch die Felder als Spielort genutzt werden konnten. Der Spielbetrieb der offiziellen Ligen und Vereine konzentriert sich auf den Zeitraum September bis März. Die internationalen Meisterschaften finden im Mai statt. Wer Boßeln als reines Freizeitvergnügen ausübt, geht in den kalten Monaten auf die Straße.

Das gesellige Trinkspiel für draußen

Obwohl es sich um einen Sport handelt, gibt es auch Gruppen, die aus reinem Vergnügen losziehen. Dabei gibt es eine besondere Regel: An jeder Kreuzung und an jeder Brücke müssen alle Beteiligten einen Korn trinken. Ebenso können sich auf Rundkursen überrundete Teams durch einen Schnaps “zurückrunden”. Dabei kommt in Ostfreisland vorzugsweise ein lokaler Schnaps zum Einsatz. Diese Regelvariante ist nur für hartgesottene geeignet. Alkoholkranke und Kinder sollen normale Getränke zu sich nehmen.

Geschichte des Boßelns

Boßeln hat sich in Deutschland aus dem Klootschießen, ebenfalls ein Kugelsport, entwickelt.

Nach zögerlichen Anfängen im 17. Jahrhundert, wurde der Sport Ende des 19. Jahrhunderts immer beliebter. Während beim Klootschießen eine anspruchsvolle Wurftechnik gefragt ist, kann das Boßeln von jedermann schnell gelernt und ausgeführt werden. So ist das Boßeln vermutlich als einfachere Abwandlung entstanden. Ein wichtiger Aspekt war dabei die Verlegung des Spielbetriebs auf die befestigten Straßen, denn Klootschießen fand und findet auf dem freien Feld statt. Nach dem Zeiten Weltkrieg hatte sich Boßeln als Freizeit- und Breitensport in Deutschland etabliert. Heute finden sich in den prägnanten Regionen, gerade in Ostfriesland, Boßelvereine, es haben sich Boßelklassen und Boßelligen gebildet. Die Vereine sind überwiegend im Friesischen Klootschißeerverband organisiert. Boßeln ist nicht nur ein Volkssport in Ostfriesland, sondern auch fester Bestandteil des kulturellen Lebens.

Ablauf, Wurfgerät und Wurftechnik

Zwei Mannschaften mit je vier bis zehn Werfern treten an der festgelegten Boßelstrecke gegeneinander an. Beim Boßeln kommt es darauf an, mit einem Wurf schon eine größtmögliche Weite zu erzielen. Am Startpunkt macht der Spieler der Mannschaft, die beginnt, den so genannten Anwurf. Anschließend wirft der Spieler der anderen Mannschaft. Die Kugel rollt dabei immer aus, bis sie ruhig liegt. Sollte sie beim Werfen in ein Gebüsch oder in den Straßengraben rollen, wird sie entsprechend der Wurfweite auf die Straße platziert. Der Anschlusswurf beginnt am Ausrollpunkt. Abwechselnd werfen jetzt die Spieler der beiden Mannschaften jeweils von dem Punkt aus, an dem die Kugel des vorherigen Mannschaftskameraden liegen geblieben ist. Es darf immer die Mannschaft zuerst werfen, deren Kugel zurückliegt. Für jeden nicht wettgemachten Rückstand erhält die gegnerische Mannschaft einen Punkt oder in der Boßelsprache ausgedrückt: einen Schoet (Schööt in Ostfriesland). Die Mannschaft gewinnt, welche die meisten Schoets verzeichnet. Beim Boßeln als Einzelwerfen gewinnt der Boßler, der mit zehn Würfen nacheinander die größte Weite erreicht.

Geworfen wird beim Straßenboßeln in Ostfriesland sowie im Oldenburger Land mit Gummi- oder Kunststoffkugeln, deren Durchmesser zwischen 8,5 und 12 cm je nach Spielklasse (Jugend/Männer) liegt. Natürlich boßeln auch die Frauen mit Eifer und Elan, die sich entsprechend der Handgröße die passende Kugel aussuchen können. Diese Boßelkugeln sind auf allen Untergründen einsetzbar. Für das Freizeitboßeln werden auch farbige Boßelkugeln angeboten, die jedoch im offiziellen Spielbetrieb der Ligen in Ostfriesland und Oldenburg nicht zugelassen sind. Die ursprünglichen Pockholzkugeln aus Tropenholz, die früher auch im offiziellen Spielbetrieb eingesetzt wurden, sind ebenfalls noch erhältlich, werden aber nur noch beim Weideboßeln oder von den älteren Ostfriesen auf der Straße genutzt.

Die Wurftechnik richtet sich danach, ob die Strecke einen geraden und übersichtlichen oder einen kurvigen, schwer einsehbaren Verlauf hat. Ist die Strecke gerade, wird ein Anlauf genommen und der Wurfarm im Lauf nach hinten bewegt. Dann wird er unter der Hand schnell nach vorne bewegt und die Boßelkugel losgelassen. Dieser Abwurf nennt sich „liek ut Hand“. Für kurvige Strecken gibt es die Techniken „överd Dum“ und „överd Finge“ (über den Daumen/über den Finger), die für einen besonderen Lenkschwung (Drall) sorgen.

Geselligkeit kommt nie zu kurz – das Drumherum und Danach beim Boßeln

Vor allem beim Freizeitboßeln mit Freunden und Bekannten stehen Spaß und Geselligkeit im Vordergrund. Ein lecker gefüllter Bollerwagen ist mit von der Partie, an dem sich die Spieler in den Pausen bedienen. Der bringt auch hochprozentige, stärkende Getränke zum Vorschein. Nicht selten wird das Streckenziel so gewählt, dass die fröhliche Runde zum Abschluss ohne langen Fußweg in ein Gasthaus einkehren kann, um den Tag bei traditionellem Grünkohl und Pinkel (und natürlich einem klaren Korn) ausklingen zu lassen. Die Sieger werden gebührend mit einem 3-fachen „Lüch up und fleu herut“ gefeiert.

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