Königspfalz Werla

Königspfalz Werla

von Redaktion
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Mittelalterliche Anlage im Braunschweiger Land

Der Begriff Königspfalz stammt aus dem Früh- und Hochmittelalter und bezeichnet eine großzügige Hofanlage für reisende Könige und deren Gefolge. Im 10. Jahrhundert war die Königspfalz Werla bei Werlaburgdorf in der niedersächsischen Gemeinde Schladen-Werla der bedeutende Stützpunkt und Repräsentationsort für die frühen ottonischen Könige.

Nach ihrem Verfall zur Wüstung im 14. Jahrhundert geriet die befestigte Pfalz im Braunschweiger Land in Vergessenheit, bis sich Forscher Ende des 19. Jahrhunderts wieder mit ihr beschäftigten. Es wurde mit Ausgrabungen begonnen, die neben etlichen Einzelfunden auch wertvolle Erkenntnisse zur Teil-Rekonstruktion der Anlage mit sich brachten. Mit dem 2012 eröffneten „Archäologie- und Landschaftspark Kaiserpfalz Werla“ entstand nicht nur der größte archäologische Park Norddeutschlands, sondern auch ein Stück wiederentdeckte Geschichte.

Geschichte der historischen Königspfalz Werla

Ihre erste Erwähnung durch den Chronisten Widukind von Corvey findet die Königspfalz Werla vermutlich 924 oder 926, als sich König Heinrich I. auf der Burg Werla aufhielt. Es wird angenommen, dass dies der zentrale Ort für die Koordination der sächsischen Verteidigung gegen die ungarischen Angreifer war. Heinrich I. konnte zusammen mit seinem Sohn Otto I. die Ungarn zurückdrängen, 955 wurde der Sieg über den Gegner bei Augsburg erzielt.

Im Zeitraum zwischen 924 und 1013 wurden 14 Königsaufenthalte auf der Werla gezählt wie Urkunden belegen. Auch Beratungen wurden auf der Pfalzanlage abgehalten. Es entstanden Ringmauer, palastartige Gebäude, eine erste Vorburg. So erfolgte im 10. Jahrhundert der Ausbau zu einem zentralen Herrschaftsplatz der ottomanischen Könige im Norden. Im 11. und 12. Jh. kam es zur Erweiterung der Vorburg, der später eine zweite, äußere Vorburg folgen sollte, eine neue zweite Kernburg wurde errichtet. Die Anlage vergrößerte sich dadurch auf ca. 20 Hektar.

Die Königspfalz entwickelte sich zu einer Siedlung mit regem Wirtschaftstreiben in den Grubenhäusern der Vorburgen. Im Mittelpunkt standen die Textil- und Metallverarbeitung wie Funde belegen konnten. Die Könige weilten zu dieser Zeit schon lieber auf der neu gegründeten Pfalz Goslar. Der letzte Besuch eines Kaisers wird in das Jahr 1180 datiert, als Friedrich I. Barbarossa die Querelen mit Heinrich dem Löwen beendete. Danach wurde die Werla als Repräsentationssitz aufgegeben.

Besiedelt war die Anlage vermutlich noch bis in das 14. Jahrhundert, im 13. Jahrhundert wurden wohl noch Kellerbauten und Gräben angelegt. Der Verfall zur Wüstung wird um das Jahr 1550 angenommen. Die Bewohner der Anlage suchten sich im heutigen Ort Werla (ehemals Burgdorf) eine neue Heimat. Die Gebäude und Befestigungen wurden als Steinbruch genutzt. Mit dem letzten entnommenen Stein geriet auch die Königspfalz in Vergessenheit, so dass im Spätmittelalter nicht einmal mehr ihre Stelle bekannt war.

Wiederentdeckung und Ausgrabungen

Im 18. Jahrhundert wollten Gelehrte die Stelle der mittelalterlichen Königspfalz wiederfinden und nutzten dazu antike Quellen des Ortes Werla aus dem 10. bis 13. Jahrhundert. Der Gelehrte Herrmann Adolf Lüntzel konnte das Gebiet im 19. Jahrhundert anhand alter Dokumente auf den Raum Schladen eingrenzen, nachdem örtliche Bauern von Steinfunden auf dem heiligen Kreuzberg nördlich von Schladen berichteten. Eine Probegrabung 1875 bestätigte die Vermutung, denn es traten Fundamente von Mauerzügen und Scherben zutage. Weitere Probegrabungen folgten 1927. In den Jahren 1934, 1936, 1939 wurden großangelegte Ausgrabrungen durchgeführt, deren Fortführungen nach dem zweiten Weltkrieg zwischen 1957 und 1964 erfolgten. 2007 nahm man die Ausgrabungen wieder auf, diese dauern bis heute an.

Seit den 1920er Jahren bis heute konnten etliche Funde und Fundamentbestandteile der alten Anlage entdeckt werden, was neben einem Gesamtbild auch die Rekonstruktion von verschiedenen Elementen der Anlage zulässt.

Mit dieser wurde im Jahre 2010 mit Hinblick auf den 2012 eröffneten Archäologie und Landschaftspark Kaiserpfalz Werla begonnen.

Heute lebt die Werla wieder. Wenn auch nicht in ihrer ursprünglichen Pracht, aber mit einem großen Wissens- und Fundschatz über diesen berühmten Platz.

Archäologische Erkenntnisse über Standort & Aufbau der Anlage

Durch die Ausgrabungen und damit verbundenen Forschungen konnten wesentliche Elemente der Pfalzanlage örtlich und größenmäßig bestimmt und die Rekonstruktion von Teilen in die Wege geleitet werden. Die Lage der Königspfalz befindet sich im freien Gelände zwischen Schladen und Werlaburgdorf unweit von Wolfenbüttel und Goslar. Über einen Fußweg bzw. Wanderweg ist die Anlage für Besucher zu erreichen.

Der Bau der Kernburg wird in den Zeitraum zwischen 919 und 924 datiert. Sie befand sich auf einem Geländeplateau, der in das Okertal hervorragt. Im Süden und Osten begrenzen 17 Meter hohe Steilhänge die Burganlage. Ein 12 m breiter und 4 m tiefer Spitzgraben diente zum Schutz der Anlage im offenen Gelände, hinter dem ein 8 m breiter Erdwall mit einer ringförmigen Steinmauer errichtet war. 6 Türme sicherten die Burg ringsherum zusätzlich. Zargentore führten in die Burg hinein, eines davon konnte an der originalen Stelle rekonstruiert werden. Eine terrassenförmige Mauer umgab die obere Hangkante. Zwei nachträglich errichtete Speicher waren anstelle von Türmen hier vorhanden.

Das Zentrum der Kern- oder Hauptburg bildete ein Gebäudekomplex, bestehend aus der kreuzförmigen Pfalzkirche und einem Steinhaus, beide Gebäude wiesen einen Gipsestrich-Fußboden auf, seinerzeit ein Kennzeichen für den hohen Status.

Das Palas 1 befand sich am südlichen Rand der Kernburg und besaß ebenfalls einen Gipsestrich-Fußboden, dazu noch eine für die damalige Zeit einzigartige Heißluftheizung im zentralen Saal. An das Palas war eine Rundkapelle angebaut.

In der Kernburg wurden zudem mehrere kleine Speicher aus Stein und zwei Hofstellen für königliches Dienstpersonal entdeckt. Nördlich der Kirche gab es ein großes, zweistöckiges  Steingebäude, dessen Funktion noch nicht bestimmt ist.

Die Vorburgen spielen ebenfalls eine große Rolle. So bestand zu Beginn nur eine Vorburg im Norden, die durch eine Steinmauer geschützt wurde. Im Inneren dieser Vorburg waren Grubenhäuser mit Werkstätten für die Textil- und Metallverarbeitung angelegt. Hier arbeiteten die Einwohner der umliegenden Dörfer für einen genau bestimmten saisonalen Zeitraum. Diese erste Vorburg wurde gigantisch erweitert, auch erfolgte die Anlage von Graben und Wall mit einer Steinmauer. Eine zweite Vorburg ließ man westlich der Kernburg auf dem Kapellenberg als rechteckige Befestigung errichten. Schließlich gab es noch eine äußere Vorburg mit Graben und Wall, die ebenfalls mit Grubenhäusern für die wirtschaftliche Produktion ausgestattet war.

Im Braunschweigischen  Landesmuseum kann ein rekonstruiertes Modell der Königspfalz Werla, das die Anlage im 10. Jahrhundert zeigt, besichtigt werden.

Archäologie- und Landschaftspark Kaiserpfalz Werla

Dank der umfangreichen Ausgrabungen, die erhaltene Fundamentreste zutage brachten, ist es heute wieder möglich, sich am einstigen Standort ein Bild von der beeindruckenden Pfalzanlage Werla zu machen.

Im Zuge der 2007 weitergeführten Grabungen entstand die Idee zum Projekt „Archäologie- und Landschaftspark Kaiserpfalz Werla“, welches vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege/Bezirksarchäologie Braunschweig, der Gemeinde Schladen-Werla, dem Landkreis Wolfenbüttel, dem Förderverein und zahlreichen namhaften Institutionen als Förderer getragen wird. Für Betrieb und kontinuierlichen Ausbau zeichnen der GeoPark Harz – Braunschweiger Land – Ostfalen und FEMO e.V. verantwortlich.

Im Herbst 2010 starteten die ersten Rekonstruktionsarbeiten, 2012 konnte der Park feierlich eingeweiht werden. Wälle und Gräben der Kernburg sowie der inneren Vorburg konnten in reduziertem Umfang wiederhergestellt werden, was die Dimensionen der Pfalzanlage sichtbar macht. Innerhalb der Kernburg sind Gebäudegrundmauern in Teilen rekonstruiert worden. Das Westtor der Kernburg ist als 1:1 Modell nachgebildet. So genannte visuelle „Archäologische Fenster“ geben Einblicke in den Haupttrakt der Kernburg, einen Turm, Tor 1 und die Mauern der inneren ersten Vorburg, die im 10. Jahrhundert entstanden sind. Trockenmauern aus der Neuzeit spiegeln teilweise den Verlauf der ersten Vorburgsmauer und der Hangmauer der Kernburg wieder. Wo einst das Steingebäude auf dem Kapellenberg stand, lädt heute eine Aussichtsplattform zum Blick über das Gelände ein. Verschiedene Fundstücke aus dem Gebiet der Werla sind im Heimathaus Schladen zu besichtigen.

Der Landschaftspark versteht sich als kulturelle Einrichtung, gleichermaßen aber auch als Forschungseinrichtung. Es werden öffentliche wie auch Gruppenführungen angeboten, zudem warten für Kinder spezielle Angebote um das Mittelalter, die Werla und die Grabungsgeschichte zu entdecken. Im rekonstruierten Westtor befindet sich ein Trauzimmer, in dem sich Paare das Ja-Wort geben können.

Der Eintritt ist frei. Weiterführende Informationen, Termine für Führungen und Veranstaltungen sind über die Webseite zu finden.

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